Telemedizin-Einschränkung und Versandverbot: Was die neuen Cannabis-Gesetz-Pläne für die Branche bedeuten
Hintergrund: Boom des medizinischen Cannabis und politische Kehrtwende
Am 8. Oktober 2025 hat die Bundesregierung beschlossen, das Cannabisgesetz anzupassen, konkret die Regeln für medizinisches Cannabis deutlich zu verschärfen. Diese Entscheidung markiert eine Kehrtwende im Vergleich zur vorherigen Liberalisierung zum 1. April 2024. Seitdem galt medizinisches Cannabis als rezeptpflichtiges Arzneimittel außerhalb des Betäubungsmittelgesetzes; Telemedizin und Versand spielten dabei eine große Rolle.
Die Folge war ein dynamisches Marktwachstum: Immer mehr Patientinnen und Patienten nutzten digitale Angebote, um ärztliche Beratung und Rezepte zu erhalten, während spezialisierte Versandapotheken eine bundesweite Versorgung sicherstellten. Kritiker monierten jedoch eine zu lockere Verordnungspraxis und ein Missverhältnis zwischen massiv gestiegenen Importmengen und eher moderatem Zuwachs erstatteter Kassenrezepte. Genau hier setzen die neuen Pläne an.
Geplante Gesetzesänderungen: Persönlicher Arztkontakt und Versandverbot
Der Kabinettsentwurf sieht zwei zentrale Stellschrauben vor, die den bisherigen digitalen Zugang deutlich begrenzen:
- Persönlicher Arztkontakt für die Erstverschreibung: Die Erstverordnung soll nur nach einem physischen Arzt-Patienten-Kontakt (Praxis oder Hausbesuch) möglich sein. Für Folgerezepte ist mindestens einmal jährlich ebenfalls ein persönlicher Termin vorgesehen.
- Verbot des Versandhandels mit Cannabisblüten: Apotheken dürften Cannabisblüten nicht mehr versenden; die Abgabe erfolgt vor Ort mit persönlicher Beratung.
Auswirkungen auf Telemedizin-Anbieter und Ärzte
Die geplanten Regeln treffen Telemedizin-Plattformen im Kern ihres Geschäftsmodells. Wo bislang bundesweite Versorgung per Videosprechstunde möglich war, wird künftig ein physischer Ersttermin Pflicht. Anbieter müssen entweder eigene Praxisstandorte aufbauen oder eng mit lokalen Praxen kooperieren. Das bedeutet höhere Fixkosten, geringere Skalierung und teilweise den Wegfall ganzer Leistungsbereiche.
Für Ärztinnen und Ärzte verschiebt sich der Patientenzugang: Spezialisierte Tele-Ärzte verlieren Reichweite, lokale Praxen gewinnen an Bedeutung. Ob sich jedoch genügend Ärztinnen und Ärzte bereit erklären, Cannabispatienten aufzunehmen, bleibt offen. Ohne entsprechende Weiterbildung und klare Leitlinien droht eine Verknappung der Versorgungsangebote.
- Risiken: Umsatzrückgang bei Telemedizin-Anbietern, Stellenabbau in digitalen Service-Teams, Investitionsstau.
- Chancen: Aufbau hybrider Versorgungsmodelle (Präsenz + digital), neue Services (Dokumentation, Compliance, Audit), stärkere lokale Netzwerke.
Auswirkungen auf Apotheken und Versorgungsketten
Das Versandverbot zwingt Patientinnen und Patienten zur Abholung in der Vor-Ort-Apotheke. Für spezialisierte Versandapotheken ist das ein paradigmatischer Einschnitt. Regionen mit geringer Apothekendichte oder geringer Cannabis-Expertise könnten Versorgungsengpässe erleben, wenn flexible Versandmodelle wegfallen.
Vor-Ort-Apotheken in urbanen Räumen könnten mehr Laufkundschaft bekommen, müssen aber Beratungs- und Lagerkapazitäten anpassen. Preis- und Sortenvielfalt könnte regional stärker variieren, da der überregionale Wettbewerb abnimmt. Großhändler und Importeure rechnen mit einer Stabilisierung oder Dämpfung der Nachfrage.
Konsequenzen für Patientinnen und Patienten
Für Betroffene steigen die Hürden: ein persönlicher Arzttermin für die Erstverordnung, ggf. weite Wege, und die Pflicht zur Abholung in der Apotheke. Für chronisch Kranke, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder in ländlichen Gebieten kann das eine erhebliche Belastung sein. Kritiker warnen vor einer Abwanderung zum Schwarzmarkt, wenn legale Zugangswege zu kompliziert werden.
Stimmen aus der Branche: Kritik und Forderungen
Branchenverbände, Apotheken und Patientenorganisationen kritisieren ein pauschales Verbot von Telemedizin und Versand als unverhältnismäßig. Statt Totalverboten werden häufig eine stärkere Regulierung, Zertifizierung von Plattformen und eng definierte Ausnahmen gefordert – mit Fokus auf Qualität, Aufklärung und Schutz der besonders vulnerablen Gruppen.
Erwartbar ist, dass der Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren noch angepasst wird. Kompromisse könnten z. B. Ausnahmen für Härtefälle, zusätzliche Dokumentationspflichten oder Modellprojekte vorsehen.
Jobmarkt-Fokus: Wer verliert, wer gewinnt?
Die Anpassungen führen zu einer Umschichtung von digitalen, ortsunabhängigen Rollen hin zu präsenzbasierten Tätigkeiten. Das betrifft Ärztinnen und Ärzte, MFAs, Apothekenpersonal, aber auch Compliance- und Regulierungsfunktionen. Telemedizin-nahe Rollen werden tendenziell abnehmen, während Praxisbetrieb, Beratung und Qualitätssicherung an Bedeutung gewinnen.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Arbeitnehmer
Für Unternehmen
- Hybride Versorgung planen: Präsenz als Kern, digital als Ergänzung (Terminvorbereitung, Verlaufsmonitoring).
- Kompetenzaufbau: Schulungsprogramme für Ärzte, MFAs und Apotheker zu Cannabis-spezifischen Themen.
- Compliance priorisieren: Interne Richtlinien, Audit-Trails, klare Aufklärung & Dokumentation.
- Kooperationen stärken: Praxis–Apotheke–Labor–Großhandel entlang der Versorgungskette vernetzen.
- Patientenorientierung sichern: Härtefall-Pfade (Hausbesuch, Abholservice durch Bevollmächtigte), barrierearme Kommunikation.
Für Arbeitnehmer
- Weiterbildung nutzen: Indikationen, Dosierungen, Interaktionen, Dokumentationspflichten, Recht.
- Sichtbarkeit erhöhen: Profile auf Jobbörsen mit konkreten Kompetenzen (z. B. GACP/GMP, Rezeptur, Beratung).
- Flexibilität zeigen: Bereitschaft zu Präsenz, ggf. Mobilität (Hausbesuche, regionale Sprechstunden).
- Netzwerke pflegen: Verbindungen zu Ärzten, Apotheken, Laboren, Patientenorganisationen.
Fazit: Branchenausblick zwischen Patientenschutz und Versorgungssicherheit
Die Entscheidung vom 8. Oktober 2025 stellt die Weichen neu: Der digitale „Easy Access“ weicht einer stärker präsenzbasierten Versorgung. Für Telemedizin-Anbieter und Versandapotheken bedeutet das Einschnitte bis hin zur Neuausrichtung. Für Praxen und Vor-Ort-Apotheken entstehen Chancen – sofern sie Personal und Prozesse aufbauen. Für Patientinnen und Patienten steigen Hürden; ohne flankierende Ausnahmen drohen Versorgungslücken.
Für den Jobmarkt heißt das: weniger digitale Remote-Rollen, mehr Bedarf im Präsenzbetrieb, dazu wachsende Nachfrage nach Compliance-, Qualitäts- und Schulungsprofilen. Jobbörsen können jetzt Wert stiften, indem sie diese Verschiebung aktiv begleiten – mit passenden Kategorien, Weiterbildungspartnern und starken regionalen Netzwerken.
Hinweis: Der Gesetzentwurf durchläuft noch das parlamentarische Verfahren. Es ist möglich, dass im Bundestag Anpassungen vorgenommen werden. Unternehmen und Fachkräfte sollten die Entwicklung eng verfolgen und ihre Strategien flexibel halten.